Ergebnisse der ersten Fallstudie - Kooperation in Hainholz

29. Oktober 2015 / Moritz von Gliszczynski

Von Frühsommer bis Herbst 2015 fand die erste Fallstudie für „Gelingende Kooperationen im Sozialraum“ in Hainholz in Hannover statt. Bei der Untersuchung in Hainholz standen vor allem der Einfluss des lokalen Quartiersmanagement auf soziale Netzwerke und Kooperation im Mittelpunkt. Durch Interviews und teilnehmende Beobachtung konnten dazu reichhaltige Daten gewonnen werden. Was sagen diese Daten nun über Netzwerke und Kooperation in Hainholz aus? Der folgende Artikel enthält die wichtigsten Punkte einer deutlich längeren Analyse, die in einem Bericht zur Fallstudie festgehalten ist. Die Ergebnisse der Analyse wurden in einem kurzen Vortrag zur Fallstudie auch Akteuren aus Hainholz vorgestellt und mit Ihnen diskutiert.

 

Die Analyse der gesammelten Daten führt jurz gesagt zu einer grundlegenden Darstellung des sozialen Netzwerkes in Hainholz. In Hainholz fiel bei dieser Darstellung auf, wie dicht und weit verzweigt dieses Netzwerk ist – damit ist gemeint, dass in Hainholz eine hohe Anzahl unterschiedlicher Akteure präsent ist, die fast alle in irgendeiner Form regelmäßig miteinander kommunizieren. Diese Dichte machte eine Analyse und grafische Veranschaulichung des Netzwerkes in Hainholz schwierig. Dennoch lassen sich zwei wichtige Aussagen treffen, die an der folgenden, stark zugespitzten Grafik erklärt werden können.

 

 

 

Erstens ist feststellbar, dass die Akteure in Hainholz sich trotz der dichten Vernetzung in verschiedenen Blöcken zusammenfinden (hier als orange Ellipsen dargestellt), die untereinander besonders häufig kommunizieren und sich gegenseitig unterstützensi. Die Kommunikation untereinander und zwischen den Blöcken ist dabei durch verschiedene Gremien sicher gestellt (hier als grüne Kästen abgebildet) – allerdings nehmen nicht alle Akteure gleichermaßen an allen Gremien Teil. Kennzeichnend ist, dass soziale und kulturelle Einrichtungen über die „Stadtteilrunde“  monatlich miteinander kommunizieren und auch außerhalb dieses Gremiums teilweise täglich oder wöchentlich im Kontakt stehen, aber nicht über ähnlich regelmäßige Verbindungen zu den lokalen Unternehmern, örtlichen Vereinen und Bewohnern verfügen. Zweitens zeigt sich aber, dass diese „Lücken“ im Netzwerk durch bestimmte Akteure überbrückt werden, die als Vermittler fungieren – besonders die Kulturgemeinschaft, das Quartiersmanagement (zusammengefasst als Block „Neue Mitte“) und das Planungsbüro Stadtumbau (hier alle lila markiert). Diese drei Einrichtungen unterhalten alle Verbindungen zu fast sämtlichen anderen Akteuren im Quartier und können damit Informationen und Anfragen einfach verbreiten.

 

Insoweit scheint in Hainholz eine stabile Grundlage für Kooperation zu bestehen – zu erwarten wären bei so regelmäßigen sozialen Kontakten viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Das Netzwerk in Hainholz hat tatsächlich zu verschiedenen Formen von Kooperation geführt die zahlreich auftreten, dabei muss aber zwischen verschiedenen Intensitäten der Zusammenarbeit unterschieden werden. Kooperation mit niedriger Intensität, z.B. gegenseitiges Ausleihen von Material, findet in Hainholz oft und zwischen vielen verschiedenen Akteuren statt. Auf dieser Ebene entsteht Zusammenarbeit quasi als „Nebenprodukt“ des sozialen Netzwerkes und den vielen informellen, eher persönlichen Beziehungen: Viele Kontaktpersonen in Hainholz berichten von räumlichen und sozialen „kurzen Wegen“ zu anderen Akteuren, die formlose Anfragen einfach und alltäglich werden lassen. Kooperation mit hoher Intensität, d.h. formell aufgezogene, jahrelange Projekte mit finanzieller Förderung, sind natürlich aufgrund des hohen zeitlichen Aufwandes seltener, es lassen sich aber einige hervorgehobene Beispiele, wie der „Kultursommer 2015“ und das Präventionsprojekt „Starkes Hainholz“, finden. Bei solchen Projekten sind informelle Kontakte zu Anfang nützlich, da sie das Finden von Kooperationspartnern erleichtern. Im weiteren Verlauf ist aber der Aufbau formeller Strukturen wichtiger: Eine klare Aufgabenverteilung (inklusive von Führungsrollen), klare gemeinsame Ziele und ein regelmäßiger Austausch in extra dafür vorgesehenen Runden sind notwendig um große Projekte am Leben zu erhalten.

Damit verdeutlicht das Beispiel Hainholz, welche Vielfalt von Formen der Kooperation auf Quartiers-Ebene vorkommen kann. Lassen sich daraus aber allgemeine Schlüsse oder praktische Hinweise zu Kooperation ziehen? Erstes wichtiges Ergebnis ist die schon genannte Abstufung von Kooperation nach Intensität. Schon auf Grundlage dieser ersten Fallstudie zeigt sich die Bedeutung dieser Unterscheidung: Informelle Kontakte sind auf jeder Stufe der Intensität wichtig, spielen aber unterschiedliche Rollen – bei weniger intensiver Kooperation als „Produzent“, bei intensiver Kooperation eher als „Starthelfer“. Außerdem lassen sich auf Grundlage der Ergebnisse aus Hainholz zwei praktische Prinzipien als erste Denkanstöße für die Praxis geben. Zum einen hat sich gezeigt, dass der Erfolg von Kooperation in Hainholz auch darauf beruht, dass bestimmte Akteure einen sehr guten Überblick über das lokale Netzwerk haben und damit gut potentielle Partner und notwendige Ressourcen erreichen können. Ein erstes Prinzip kann also die Empfehlung sein, beim Aufbau einer Kooperation als ersten Schritt eine „Bestandsaufnahme“ des lokalen Netzwerkes zu machen, um eben jenes nützliche Wissen zu erlangen oder aufzufrischen. Zum anderen ist offensichtlich, dass informelle Kontakte bei Kooperation eine große Rolle spielen. Allerdings gibt es verschiedene Arten mit solchen Kontakten umzugehen, von intuitivem „laufen lassen“ neben der alltäglichen Arbeit bis hin zu systematischem Aufbau persönlicher Kontakte im Quartier. Keiner dieser Ansätze kann als besser oder schlechter gewertet werden. Dennoch bietet sich als zweites praktisches Prinzip an, systematisch zu überlegen, welche Vor- und Nachteile der eigene Umgang mit informellen Kontakten hat.

 

Insgesamt hat die erste Fallstudie also gezeigt, wie komplex und reichhaltig das Thema Kooperation in sogenannten „sozialen Brennpunkten“ ist. Mit Hainholz als einzigem Beispiel kann aber nicht von verallgemeinerungsfähigen oder für Niedersachsen repräsentativen Ergebnissen gesprochen werden. Auch die praktischen Prinzipien können auf dieser Grundlage nur ein allererster Versuch sein, eine Diskussion zu Methoden und Standards der Kooperation zu beginnen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, durch die zweite Fallstudie Hainholz mit einem anderen Quartier zu vergleichen, in dem Kooperation unter anderen Bedingungen stattfindet. Falls sich dort ähnliche Ergebnisse finden, können sie als verallgemeinerungsfähig gelten. Aus diesem Grund ist die Wahl für die zweite Fallstudie auf Hasport in Delmenhorst gefallen, ein Quartier in dem kein Quartiersmanagement präsent ist. Stattdessen wird Quartiersarbeit hier von einer selbstständigen Bewohnerinitiative geleistet, die komplett von Ehrenamtlichen getragen wird. Dies verspricht einen interessanten Kontrast mit Hainholz – dazu mehr in Kürze an dieser Stelle.