Untertitel / Slogan: 
Stadtteilladen Bremervörde - Weiterentwicklung eines Stadtteils von Bremervörde
Ausgangslage: 

a. In den vergangenen 15 Jahren haben gravierende soziale Veränderungen den Stadtteil rund um die Auferstehungskirche erfasst, die mit zwei Sozialraumanalysen in den Jahren 2013 und 2015 beschrieben wurden: Hier leben derzeit ca. 130 Kinder unter 14 Jahren mit ihren Familien (oftmals alleinerziehend, kinderreich, von ALG II lebend), unter ihnen zahlreiche Migranten- und Flüchtlingskinder, in z.T. prekären Verhältnissen. Diese Familien in ihrer Situation haben nur bedingt teil am gesellschaftlichen Leben vor Ort.

b. Neben dem Pflegeheim der AWO, das es im Stadtteil gibt, ist die Kirchengemeinde die einzige soziale Institution, die unmittelbar vor Ort agiert. Gerade für nicht mobile Familien in benachteiligten Lebenssituationen sind die Wege zu den helfenden Einrichtungen und Ämtern weit.

c. Aufgrund der Fluchtbewegungen der vergangenen Jahre sind viele Migrantenfamilien nach Bremervörde gekommen. Die Kommune verfolgt grundsätzlich das Konzept einer dezentralen Unterbringung. Weil aber viel preiswerter Wohnraum im Bereich um die Auferstehungskirche vorhanden ist, sind ein Großteil der Familien in diesem benachteiligten Stadtteil untergekommen.

d. Das geplante Projekt „Beieinander - Füreinander - Miteinander“ kann an die Arbeit des im Jahr 2014/15  gegründeten „Stadtteilladen“ anknüpfen, der einen Begegnungsort für alle Anwohner des Quartiers außerhalb kircheneigener Räumlichkeiten ("Gemeindehaus") darstellt. Die Einrichtung ist mittlerweile vielen vertraut und im Stadtteil etabliert.

e. Die Stadt Bremervörde als verantwortliche Institution für die kommunale Sozialarbeit wertschätzt und fördert die Arbeit des Stadtteilladens insbesondere aufgrund seiner Niedrigschwelligkeit und guten Erreichbarkeit.

f. In Kooperation mit der Koordinierungsstelle für ehrenamtliche Arbeit des Landkreises wird seit Sommer 2019 das Projekt "Stadtteilpartner" (Bundesprogramm "Menschen stärken Menschen" der bagfa) durchgeführt, mit dem die Vernetzung der Menschen im Bereich intensiviert wird, insbesondere zwischen Deutschen und ausländischen Familien.

g. Das beantragte Projekt knüpft in guter Weise an die vorhandenen Bemühungen um den Stadtteil an und zielt auf den Aufbau einer umfassenderen Gemeinwesenarbeit im Bereich der Auferstehungskirche, mit einem gewissen Fokus auf der Integration der neuzugezogenen Flüchtlingsfamilien und ihrer Kinder.


Ergänzungen 2021:

Die im Jahr 2020 aufgekommene Corona-Pandemie stellt die Arbeit vor neue Herausforderungen, die Ausgangslage hat sich entscheidend verändert: Gruppenangebote mussten in einer Phase komplett abgesagt werden, der Besuch des Stadtteilladens für Anwohner und Anwohnerinnen war einige Wochen lang nicht möglich. Auch Hausbesuche waren unmöglich. Stattdessen fanden in dieser Phase der Pandemie Verteilaktionen und reihenweise Telefongespräche statt. Bald wurden digitale Formate wie WhatsApp und Mailgruppen eingerichtet, auch Videokonferenzen mit Anwohnern. Viele Gespräche fanden auch außerhalb des Ladens unter freiem Himmel, im Garten oder am geöffneten Fenster statt.

Es war zu erleben, wie Menschen, insbesondere Migrantenfamilien und auch ältere Anwohnerinnen und Anwohner aus Angst vor dem Infektionsrisiko jegliche Kontakte mieden. Die Frage der Erreichbarkeit stellte sich von beiden Seiten, sowohl von Seiten der Anwohnerschaft als auch von Seiten des Stadtteilladens. Darüber hinaus war zu beobachten, dass insbesondere auch Anwohner mit Migrationshintergrund sich sehr auf ihre eigene Familie zurückzogen, dass Kinder durch Schulausfall und -absentismus in ihrer Sprachentwicklung zurückgefallen sind, und auch den Anschluss ans Homeschooling verpasst haben. Als Ort gemeinsamer Freizeitgestaltung für Kinder kann der Stadtteilladen wegen der Pandemie nur noch sehr eingeschränkt genutzt werden, was zu Rückzug, Langeweile sowie gehäuft zu Fällen von Sachbeschädigung im Stadtteil führt.

In Abstimmung mit dem Gesundheitsamt wurde bald vom Kirchenvorstand ein Hygienekonzept erstellt, das es unter entsprechender Beachtung erlaubte, den Stadtteilladen für begrenzte Besucherzahlen wieder zu öffnen: Perslnliche Hausaufgabenbetreuung und Beratung wurden wieder möglich, jedoch mit deutlich verringerten Teilnehmendenzahlen im Stadtteilladen.


Ergänzungen 2022:

Während der Pandemie ist die Nachfrage nach Beratung (wg. Behördenbriefen und Schulangelegenheiten, Migrationsberatung, Erziehungsberatung, usw.) markant angestiegen. Immer wieder wurde hier auch die Frage nach einer Corona-Schutzimpfung gestellt, an der Teile der Klientel wegen mangelnder Mobilität (Entfernung zum Impfzentrum 25 km ohne öffentliche Verkehrsanbindung) wegen fehlender Sprach- oder Medienkompetenz und aus gewissen Vorurteilen heraus nicht teilnehmen konnten. Das führte dazu, dass im Juli 2021 auf Betreiben des Stadtteilladens und in Zusammenarbeit mit dem Impf-Team des Landkreises, ein örtlicher Impftermin in den eigenen Räumlichkeiten geplant und durchgeführt wurde, bei dem über 120 Personen insbesondere in benachteiligten Lebenslagen zweifach geimpft wurden. Nicht zuletzt diese Initiative und die Einführung der 3-G-Regel für den Besuch des Stadtteilladens trägt zu weiteren Öffnungsmöglichkeiten der Arbeit im Jahr 2022 bei.

Die langandauernde Schließung der Schulen im Winter 2020/2021 (Distanzunterricht), der Lockdown vieler Lebensbereiche, die Enge vieler Wohnverhältnisse hat in Verbindung mit komplexen Problemlagen in vielen Familien bei manchen Kindern und Jugendlichen zu zusätzlichen Frustrationserfahrungen geführt, die sich in Aggressivität und Sachbeschädigungen entlud. Es entstand beispielsweise ein dann auch in der Lokalzeitung ausgetragener Streit in der Anwohnerschaft um die Daseinsberechtigung des einzigen Spielplatzes im Quartier. An dieser Stelle sind Mitarbeiterin und Träger des Stadtteilladens als Vermittler tätig, um den Fortbestand des Spielplatzes zu sichern und den öffentlichen Konflikt zu entschärfen.

Auch deshalb besteht die dringende Notwendigkeit, neben der Hausaufgabenhilfe zu pädagogisch geleiteten Freizeitangeboten und Ferienangeboten zurückzukehren, die das soziale Lernen zur Zielsetzung haben. Die Pandemie und ihre Folgen hat bei Kindern und Jugendlichen dem Eindruck nach offenbar u.a. auch zu einem Verlust an Sozialkompetenz geführt.

Das pandemiebedingte Rückzugsverhalten etlicher Migrationsfamilien hat auch die Möglichkeiten des Spracherwerbs und der kulturellen Teilhabe eingeschränkt. Entgegen solcher Isolierungstendenzen wird der Stadtteilladen auf präsentische Gruppenangebote (Frauentreff, gemeinsamer Theaterbesuch, usw.) setzen.

Nachdem wegen der Pandemie die Einsatzmöglichkeiten von Ehrenamtlichen verringert waren, und auch weil es Veränderungen im Team gegeben hat, steht der Stadtteilladen vor der Aufgabe, neue Ehrenamtliche zu gewinnen. Voraussetzung für die Mitarbeit im Laden ist der doppelte Impfschutz.


Errgänzungen 2023:

In der Arbeit mit Kindern werden in den vergangenen Monaten noch stärkere Defizite im sozialen Verhalten („neue Robustheit“) und in der Konzentrationsfähigkeit wahrgenommen als vor der Pandemie. Darauf wird mit dem für 2023 geplanten Angebot „Stadtteilladen macht mobil!“ reagiert. In diesem Rahmen werden Spielplatzbesuche, Ferienprogramme mit gezielter Bewegungsförderung („Zirkusprojekt“, Walderkundung, Besuch eines Kletterparks) reagiert. Gemeinsam mit dem Kontaktbeamten der Polizei wird eine „Fahrradschule“ für die Kinder durchgeführt, die keine Bus-Monatsfahrkarte mehr erhalten. Unternehmung mit dem Fahrrad stehen auf dem Programm sowie eine Fahrrad-Reparaturwerkstatt („Hilfe zur Selbsthilfe“).

Mit erwachsenen Anwohnern im Quartier werden weiter Gespräch darüber geführt, wie im öffentlichen Raum Orte mit Aufenthaltsqualität geschaffen werden können. Auch die Gewinnung Ehrenamtlicher hat weiterhin eine hohe Dringlichkeit, gezielt auch im Bereich der Eltern aus Migrationsfamilien, weil die Anzahl der ehrenamtlich Mitarbeitenden infolge der Pandemie deutlich zurückgegangen ist. Ein Diakon/Sozialarbeiter im Anerkennungsjahr unterstützt die Arbeit des Stadtteilladens in den kommenden Monaten in Teilzeit.


Ergänzungen 2024:

Nach mehreren Jahren, in denen der Anteil der vom Projekt erreichten Kinder, die aus Migrationsfamilien stammen, bei 80 % und mehr gelegen hat, ist der Anteil der Kinder aus deutschen Familien auf jetzt 30 % und mehr angestiegen.

Beobachtungen im Verlauf des Jahres 2023 zeigen, dass insbesondere ältere Jungen durch ihr Auftreten und Verhalten in der Gruppe und gegenüber den im Projekt Mitarbeitenden ein hohes Maß an Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Mädchen darüber in der Arbeit oft nicht in entsprechendem Umfang Beachtung finden.


Eregänzungen 2025:

In den zurückliegenden Monaten häufen sich im Quartier und der Gesamtstadt Fälle von Jugenddelikten wie Ladendiebstahl, E-Zigarettenhandel mit Minderjährigen bis hin zu Drogenhandel. Mütter oder Väter beschuldigter - in der Regel männlicher - Jugendlicher suchen Unterstützung im Stadtteilladen. Hier ist die Mitarbeiterin seit einiger Zeit besonders intensiv in der Beratung von Eltern der betreffenden Jugendlichen gefordert und in der Begleitung zu Polizei- und Gerichtsterminen. Auch Sachbeschädigungen, Spray-Aktivitäten nehmen im Quartier und in der Stadt zu, so dass Anwohner im Quartier zunehmend verärgert bzw. verunsichert sind. In Gesprächen mit verschiedenen Partnern im Netzwerk (Jugendzentrum, Kinderschutzbund, Stadtverwaltung, Diakonisches Werk) zeigt sich die Notwendigkeit, in der Kleinstadt Bremervörde niedrigschwellige Angebote für ältere Kinder und Jugendliche zu schaffen. Hier besteht ein eklatantes Defizit auch im Vergleich zu den anderen Mittelzentren der Region. Ein angemessenes Mittel könnte die Installierung einer aufsuchenden Jugendsozialarbeit für die Gesamtstadt sein. Der Träger des Stadtteilladens regt im Winter 2024-2025 mit seiner von Stadt und Landkreis anerkannten Expertise und den hervorragenden Beziehungen in die betreffende community einen entsprechenden Prozess an. Ggf. wäre der kirchliche Träger auch bereit, sich als freier Träger für eine solche Arbeit bei der Stadt zu bewerben.

 

Projektanschrift: 
Stadtteiilladen Bremervörde

24. Juli 2024 / Jannika H

Am 18. Juni 2024 tagte der Arbeitskreis Gemeinwesenarbeit mit 20 Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Standorten des Landes Niedersachsen und bot einen wichtigen Austausch für die hauptamtlich...

05. März 2024 / Jannika H

Wir möchten mit euch ein paar Eindrücke vom tollen Bewohner*innen-Initiativen-Treffen, welches wieder am 29. Februar, diesmal in Oldenburg Neudonnerschwee stattgefunden hat, teilen. Verschiedene...